Da bin ich nun seit über zehn Jahren darin geübt, selbst aus dem Augenwinkel und tief in Gedanken versunken "Muster in der Natur" zu entdecken, wo ich gehe in stehe. Und dann das. Nicht, dass mir die seltsame Zonierung im Fußbereich von Stadtbaum-Stämmen noch nie aufgefallen wäre:

Zonierter Stamm im August-Sander-Park in Köln

 

Aber ernsthaft darüber nachgedacht und genauer hingesehen habe ich erst vor einigen Wochen, bei einem Spaziergang im Agnesviertel. Dort stehen einige Linden.

Dieser Stamm ist an der einen Seite fast flächendeckend mit hell mintfarbenen Flechten bewachsen, im Fußbereich aber weiß - und dazwischen gibt es eine schmale graue Übergangszone:

Lindenstamm im Agnesviertel

 

Auf der Rückseite desselben Stammes ist die untere Zone überwiegend braun und dunkelgrün, bis auf einen senkrechten Streifen in Dunkelgrau, dem im oberen Stammbereich ein algengrüner Streifen entspricht. Der Rest des Stammes ist wiederum mit den mintgrünen Flechten bewachsen:

Die Rückseite desselben Lindenstamms
Die Rückseite desselben Lindenstamms

 

Bei einem kurzen Mittagspausen-Spaziergang rings um den KölnTurm sah ich diese Zierkirsche, die ebenfalls einen nackten Fuß hat. Diese Zone reicht mir etwa bis zu den Knien:

Zierkirschenstamm im Mediapark - mit Größenvergleich

 

Nun mag es sein, dass die Zierkirsche gepfropft ist, wie so viele Obstbäume. Die Veredelungsstelle findet man bei solchen Bäumen etwa in dieser Höhe, und womöglich bieten die Unterlage und der obere Teil den Algen und Flechten einfach unterschiedliche Milieus? Aber daneben steht eine Robinie - so vermute ich jedenfalls anhand der Netzborke und der kläglichen Laubreste. Und auch dieser Stamm ist zoniert:

Stamm einer Robinie (mutmaßlich) im Mediapark

 

An den Bäumen in unseren Wäldern sind mir solche "nackten Füße" nie aufgefallen. Was ist so anders in der Stadt? Wieso mögen die Algen und Flechten die unteren Stammbereiche nicht? Warum sind diese Zonen bei Trockenheit oft weißlich und bei Nässe braun? 

Stamm mit verräterischer Zeichnung in der unteren Zone

 

In mir keimte ein Verdacht - schon bevor ich dieses Exemplar mit den verräterischen feuchten Flecken sah. Prompt schnupperte der kleine weiße Hund, der hier noch im Hintergrund zu sehen ist, an den Flecken und hob dann selbst das Bein:

Tätersuchbild

 

Eine kurze Internet-Recherche bestätigte: Ja, es sind Hunde. Ihr Urin schafft am Fuß von Stadtbäumen eine Zone, die regelmäßig mit einer harnstoff- und harnsäurereichen Flüssigkeit begossen wird, die vor allem Flechten nicht behagt. Diese Meister der symbiotischen Nährstoffgewinnung ziehen weniger gut gedüngte Bereiche der Borke vor. Der Fachbegriff für den nackten Fuß lautet "canine zone". Im Extremfall kann die Dauerberieselung mit Urin sogar die Rinde schädigen und den ganzen Baum schwächen, ja sogar absterben lassen, wenn Pilze durch die Wunden in das Gewebe eindringen.

Zum Glück sind die meisten Stadtbäume robust; danach werden sie ja gerade ausgesucht. Sie müssen mit Urin, Kot, Dürre, Nässe, Rasenmähern, Autostoßstangen, Abgasen, Slacklines und Herzchenschnitzern fertig werden, mit Hitze und Parasiten. Auf einige dieser Plagen komme ich in den nächsten Beiträgen der Baumkolumne zurück.