Eine transparente Nadel, an deren Basis Haare wachsen. Verschlungene weiße Sprosse. Weiße Büschel. Was hat es mit dieser Science-Fiction-Kulisse auf sich?
Hier habe ich auf einen der gewundenen Sprosse fokussiert. Er sieht ein wenig aus wie ein Excentrique, ein krumm gewachsener Tropfstein:
Des Rätsels Lösung: ein mit Kristallen ausgekleidetes Loch in einem Stück Old Amsterdam, also einem reifen niederländischen Käse, der an Gouda erinnert:
Bestimmte reife Käsesorten enthalten Kristalle, die kein Makel sind, sondern auf ein ausreichendes Alter hinweisen und für ein angenehm knuspriges Mundgefühl sorgen. Auch in altem Parmesan finden wir diese Einschlüsse. Meist sind sie direkt in die Käsemasse eingebettet:
Hier aber haben sie ein Käseloch in eine Druse verwandelt. Ich habe sie mit meinem USB-Mikroskop und meiner Kamera fotografiert, und zwar mit einer Stirnlampe als Auflicht- oder Durchlicht-Quelle:
Hier die Käse-Druse in ihrer ganzen Pracht. Fremde Welten! Oder doch eine von Anemonen und Korallen besiedelte Unterwasserhöhle?
An einer Seite hat sich die Substanz, die der Käse beim Reifen in das Loch ausgeschwitzt hat, zu einer Kruste aus weißen Kügelchen zusammengelagert, aus denen wiederum Haarkristalle sprießen:
Auch die Rückwand der Blase ist mit diesen Haarbüscheln überzogen:
Eine zweite Luftblase in demselben Käsestück ist weniger dicht besiedelt. Aber auch hier haben sich weiße Kugeln gebildet, aus denen dann Haare gewachsen sind:
Die Substanz ist weder Schimmel noch Kochsalz, wie man oft meint. Stattdessen handelt es sich entweder um Calciumlactat, also das Calciumsalz der Milchsäure, oder um kristalline Aminosäuren. Vor allem Tyrosin, Leucin und Isoleucin bilden in reifem Käse Kristalle. Vielleicht haben hier sowohl Milchsäure als auch Aminosäuren mitgewirkt; das könnte die Vielfalt der Formen und die extrem feinen Haare auf den etwas gröberen Strukturen erklären.
Wie auch immer, dieses Stück Old Amsterdam steht einem guten Joint aus derselben Stadt in seiner halluzinogenen Wirkung kaum nach: