Muster- und Strukturenratebild, Juni 2013
(Zur Erklärung bitte weiterlesen)
Auf den sehr langen Winter folgte ein überwiegend kühles, feuchtes Frühjahr. Gestern hatten wir Glück: Während unserer kleinen Wanderung im Bergischen Land hat es nicht geregnet. Es waren vor allem die kleinen Dinge, die mich faszinierten. Die schornstein- oder trompetenartigen Science-Fiction-Objekte auf dem Ratebild sind die Becher einer Flechte aus der Gattung Cladonia, wahrscheinlich Cladonia fimbriata: die Kleine Strauchflechte oder Trompetenflechte.
Diese Flechte wächst gern auf morschem Holz, und einige ihrer bis zu 2 Zentimeter hohen Becher bilden am Rand braune Apothecien oder Pyknidien (Sporenbehälter) aus. Unten in der Mitte des nächsten Bildes sieht man einige - und rechts ein einzelnes Apothecium oder Pyknidium an einem zum Becher hin geneigten Stiel:
Ich bin keine Flechten-Expertin; vielleicht handelt es sich auch um die Echte Becherflechte (Cladonia pyxidata). Die meisten Becher sind mehr oder weniger glatt begrenzt, manche aber am Rand gezackt:
Die Ginsterblüte geht allmählich zu Ende. Auf dieser Blüte hat sich eine Gelbe Getreidefliege (Opomyza florum) niedergelassen, um sich zu putzen:
Als Laie eine Fliege zu bestimmen, ist übrigens gar nicht so einfach. Aber zu den angenehmeren Seiten des Internets gehören die vielen Foren, in denen biologisch versierte Hobby- und Profifotografen ihre "Fänge" präsentieren. Sehr hilfreich ist auch die Seite Insektoid.info.
Überall waren noch Überreste der ergiebigen Niederschläge der letzten Tage zu sehen:
Das sind offenbar ideale Bedingungen für Schleimpilze wie den Blutsaftpilz (Lycogala epidendrum). Hier läuft gerade eine Blattlaus über einen der Fruchtkörper; sie ist so winzig, dass ich sie erst auf dem Foto entdeckt habe. Der hintere Fruchtkörper läuft aus, weil ich ihn aus Neugier angestupst habe. Wenn man nun weiß, dass die jungen Fruchtkörper und ihr Inhalt auch rosa oder tiefrot sein können, wundert man sich nicht mehr über den Namen:
Die verschiedenen Stadien dieses Schleimpilzes hat ein Fan in einer spannenden "Fotoreportage" festgehalten.
Ebenfalls angetan von der üppigen Feuchtigkeit sind die Schnecken, die reichlich zartes junges Grün vorfinden. Hier macht sich eine Rote Wegschnecke (Arion rufus) über ein Blatt her:
Nein, ich habe mich nicht vertan: Das ist tatsächlich eine Rote Wegschnecke. Die gibt es in allen Schattierungen von Orange über Ziegelrot und Braun bis Schwarz. Von der Schwarzen Wegschnecke (Arion ater) lässt sie sich durch den kleidsamen, orange-schwarz gestreiften Fußsaum unterscheiden, der mir gestern zum ersten Mal aufgefallen ist. Hier macht sich eine Artgenossin (oder ein Artgenosse - es sind Zwitter) über einen Blütenstand her, den der Regen in ihre Reichweite gedrückt hat:
Dasselbe Tier, wenige Sekunden später von der anderen Seite fotografiert: Es hat ein Büschel Blüten abgezupft und vertilgt sie nun - wenn mir der Anthropomorphismus erlaubt ist - mit genießerisch geschlossenen Augen. Wegschnecken tragen ihr Atemloch an der rechten Mantelseite, relativ weit vorn, und ihr Mantel ist fein genoppt:
Und wer kommt hier angekrochen und linst uns durch sein Stielauge an? Der Augenstiel ist transparent und grau, und der Mantel ist nicht fein genoppt, sondern wellig gestreift:
Auch das andere Ende dieses Exemplars weist ein Merkmal auf, das wir von den Wegschnecken nicht kennen: einen gewellten, grauen Kiel oder Kamm, der ein wenig an einen Drachenschwanz erinnert.
Hier sehen wir die Schnecke in ihrer ganzen Pracht. Es ist ein Schwarzer Schnegel (Limax cinereoniger). Der Familie Limacidae ist eine ganze Website gewidmet, die den entzückenden Namen "Die faszinierende Welt der Schnegel" trägt.
Ganz typische für den Schwarzen Schnegel ist das Fingerabdruckmuster auf dem Mantel, das man auf dieser Farbtafel aus einer alten Weichtier-Monografie (gefunden auf der bereits erwähnten Schnegelwelt-Website) vor allem bei der weißen Farbvariante gut erkennt:
Obwohl ich mich für ziemlich wissbegierig und nacktschneckenangstfrei halte, muss ich feststellen, dass ich hier nicht neugierig genug war: Hätte ich das Tier angehoben, so wäre ich mit einem Blick auf eine hübsche Sohle mit dunklen Rändern und einem hellen Mittelstreifen belohnt worden. Beim nächsten Mal hole ich das nach.