Ein Fluss - er fließt vom Betrachter weg. Diesmal geht es um die Turbulenzen in der Bildmitte. Halten Sie die Computermaus über das Bild, und es müsste eine Aufnahme erscheinen, die nur zweieinhalb Minuten zuvor aufgenommen wurde. Keine Turbulenzen! Wo kamen die so schnell her, und was hat das mit Schweinen zu tun?
Da der Trick mit der Computermaus nicht auf jedem Gerät funktioniert (z. B. auf Touchscreens), hier dieselbe Szene nochmals als Komposition. Die linke Bildhälfte wurde um 16:38:36 Uhr Ortszeit aufgenommen, die rechte Bildhälfte um 16:41:07.
Wir befinden uns am Fluss Shubenacadie in Neuschottland (Nova Scotia), etwa am blauen Punkt auf der Karte, und blicken nach Norden:
Kartenausschnitt auf OpenStreetMap, (c) OpenStreetMap-Mitwirkende
Der Fluss mündet in die fast perfekt trichterförmige Cobequid Bay ein, einen Ausläufer der Bay of Fundy, die Nova Scotia von New Brunswick trennt (die kleine eingesetzte Karte zeigt ganz Nova Scotia):
Kartenausschnitt auf OpenStreetMap, (c) OpenStreetMap-Mitwirkende
Die Trichterform dieser Bucht erklärt nun auch unser Phänomen. Das bei Flut einlaufende Wasser wird dadurch aufgestaut, sodass es nicht allmählich ansteigt, sondern eine Gezeitenwelle bildet: Eine turbulente Front, die langsam (in diesem Fall vielleicht einen Meter pro Sekunde) voranschreitet und in der das Wasser sehr plötzlich ansteigt. Der Shubenacadie River ist einer der wenigen Orte der Welt, an denen eine solche "Bore" (nach dem Hindi-Wort für "Flut") gut zu beobachten ist. Sie soll bis zu 3 Meter hoch werden, doch als ich dort war, erreichte sie leider nur wenige Dezimeter und war überhaupt nicht gut zu fotografieren. Es herrschten Nipptiden, also besonders flache Gezeiten, weil Mond und Sonne zu der Zeit im rechten Winkel zueinander standen, sodass sich ihre Gezeitenkräfte zum Teil aufhoben.
Dennoch kann man an einigen Vorher-nachher-Bildern sehr gut sehen, wie sich der Shubenacadie River in kurzer Zeit von einem gemächlich fließenden Gewässer in einen turbulenten Strom mit viel höherem Wasserstand verwandelte, der sogar die Strömungsrichtung umkehrte. Das folgende Bild zeigt den Blick nach Norden um 16:14 Uhr (das Ufer in den obigen Bildern befindet sich hier ganz im Hintergrund):
Bis etwa 16:40 Uhr änderte sich daran wenig. Doch um 16:48 Uhr sah es schon so aus:
Um 17:05 Uhr, knapp eine halbe Stunde nach Ankunft der Gezeitenwelle, hat das Wasser fast den Wald erreicht, und der Strand ist überflutet:
Deutliche Veränderungen sieht man auch beim Blick in die andere Richtung, nach Süden, hier um 16:12 Uhr und um 16:51 Uhr:
Diese "Tidal Bores", wie die Gezeitenwellen auf Englisch heißen, sind eine der großen lokalen Attraktionen von Nova Scotia.
Doch was sind Gezeitenschweine?
Dieser Keiler (engl. "boar") soll das letzte "Gezeitenschwein" gewesen sein, wie die Holztafel erklärt:
Es befindet sich im Curly's, einem Lokal in Enfield, benannt nach Curly Portable, dem Erfinder der dreischneidigen Axt, des doppelköpfigen Hammers, des wasserdichten Netzes (um auch bei Regen fischen zu können) und des gusseisernen Regenschirms. Er starb aus Kummer, als "Chocolate" und "Mickey", seine beiden gezähmten Elche (engl. "moose"), bei einem Autounfall ums Leben kamen, weil ihre Geweihe versagten. Die ganze wahre Geschichte ist auf den Speisekarten im Curly's und im Internet nachzulesen.
Curly's war eines unsere beliebtesten Esslokale, es war das nächstgelegene Restaurant, wenn wir nicht im Flughafen von Halifax essen wollten - der Aufenthalt in Nova Scotia war bereits Thema eines früheren Musters des Monats.