Muster- und Strukturenratebild, August 2011
(Zur Erklärung bitte weiterlesen.)
Ein größerer Bildausschnitt zeigt, um was es sich handelt: Die Wellen um eine Sandbank vor einer Steilküste, nämlich an der (Halb-)Insel Port au Port, die vor der Südwestküste Neufundlands liegt und mit der Hauptinsel Neufundland durch zwei Dämme verbunden ist:
Die flachere Sandbank ist als heller Schatten im Wasser erkennbar, und vor ihr scheint eine etwas tiefere, sich dunkel abhebende Rinne zu liegen. Interessant ist hier unter anderem, wie sich die Richtung der Wellen deutlich verändert, wo sie auf die Sandbank treffen. Dies ist ein Beispiel für das Phänomen der Brechung, ein grundlegendes Wellenphänomen – Wellen werden immer dann gebrochen, wenn sich ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit ändert. Vielen Menschen ist das Phänomen eher aus der Optik bekannt, wo Lichtwellen gebrochen werden, wenn sie z.B. in Glas eindringen, da die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in Glas geringer ist als die in Luft. Bei Wasserwellen hängt die Ausbreitungsgeschwindigkeit von der Wassertiefe ab: Je flacher das Wasser, desto langsamer ist die Welle. Wenn Wasserwellen auf eine Sandbank oder auf eine tiefere Stelle treffen, ändern sie also ebenfalls ihre Richtung.
Aufgenommen habe ich dieses Bild vor ein paar Tagen, am 24. Juli 2011, bei einem Forschungsflug über dem Sankt-Lorenz-Golf an der Ostküste Kanadas. Im Gegensatz zu typischen Linienflügen, bei denen das Flugzeug innerhalb von Minuten auf eine Reiseflughöhe von 10 bis 12 Kilometern steigt, blieben wir den Großteil des Fluges in einer Höhe von etwa 1,5 bis 3 Kilometern, sodass ich ausreichend Gelegenheit hatte, Wellen, Inseln und Sandbänke genau zu beobachten. Ein besonderer Höhepunkt war die Magdalenen-Insel, über der wir von 1500 m Höhe auf 7700 m auf- und dann wieder auf 1500 m abstiegen.
Hier sind einige Aufnahmen der Insel, eine Struktur voller Sandbänke und Dünen, zunächst aus einer Höhe von 6700 m (leider mit etwas Dunst und Reflektionen am Fenster):
Aus einer Höhe von 2600 m sieht man sehr schön verschiedene Sandbänke, die hier vor allem durch Gezeitenströmungen geformt werden:
Die raketenförmigen Objekte an der Tragfläche unseres Flugzeuges sind übrigens keine Bomben, sondern Behälter für wissenschaftliche Geräte zur Analyse der vorbeiströmenden Luft. Hier nun die Magdaleneninsel aus 1900 m Höhe:
Und zuletzt ein Blick aus 1500 m Höhe. Er zeigt mehrere konzentrische Sandbänke unter Wasser, in den innersten Ringen erkennt man zudem die Schaumkronen der anbrandenden Wellen:
Die ganze Flugroute sah so aus:
Der Spiralflug zum Auf- und Abstieg über der Magdalenen-Insel ist schon fast ein Kunstwerk an sich:
Warum haben wir solche seltsamen Kreise gezogen? Der Flug fand im Rahmen des Bortas-Projektes statt, in dem ich als wissenschaftlicher Projektmanager arbeite. Wir untersuchen die Auswirkungen von Waldbränden in Kanada auf die Chemie der Atmosphäre. Bei diesen speziellen Flug ging es darum, unsere Daten mit Satellitenbeobachtungen abzugleichen. Der Aura-Satellit misst die von verschiedenen Atmosphärengasen ausgesandte Strahlung und kann daraus errechnen, wie ihre Konzentration mit der Höhe variiert. Doch um diese Daten richtig zu interpretieren, ist es nötig, sie mit tatsächlichen Messungen abzugleichen. Daher mussten wir an der Stelle, die der Satellit gerade beobachtete, Proben der Luft in verschiedenen Höhen entnehmen und analysieren, um diese Messungen später mit den Satellitendaten vergleichen zu können. Meine Kollegin Sarah Moller hat dazu etwas mehr im Bortas-Blog (auf Englisch) geschrieben.
Es mag seltsam erscheinen, dass wir Waldbrände über dem Wasser der Atlantikküste suchen, doch tatsächlich driften die Rauch- und Gaswolken von Waldbränden über große Entfernungen und können die Luftqualität noch Tausende Kilometer entfernt beeinflussen – siehe hierzu auch das Muster des Monats vom August letzten Jahres. Auch dieses Jahr waren wieder große Flächen in Kanada von Waldbränden betroffen: 2011 sind bisher schon über 2,4 Millionen Hektar Waldfläche (mehr als die Fläche von Hessen oder Mecklenburg-Vorpommern) abgebrannt, während es letztes Jahr 2,1 Millionen Hektar waren. Mehr als 3000 Menschen mussten evakuiert werden, vor allem aus traditionellen First-Nation-Gemeinschaften. Einen Eindruck der betroffenen Fläche vermittelt die Bilder, die David Simpson, der Operations Manager von Directflight (der Betreibergesellschaft des Flugzeugs), auf einem anderen Flug am 26. Juli in der kanadischen Provinz Ontario aufgenommen hat. Hier ein Schwelbrand aus der Nähe (Rauchfahne, die bereits verbrannte Fläche ist durch die braune Farbe deutlich erkennbar):
Die verbrannte Fläche erstreckt sich bis zum Horizont, und auch die Luft ist noch erfüllt vom Rauch und Dunst der Schwelbrände:
Natürlich schauen Wissenschaftler bei solchen Flügen meist nicht aus dem Fenster, sondern auf ihre Instrumente, in die die Außenluft über spezielle Einlassöffnungen und Schläuche geleitet wird, um sie analysieren zu können:
Zum Abschluss noch ein Bild der ganzen Mannschaft – ich stehe ziemlich in der Mitte, genau unter der offenen Tür: