Die Farben des Sommers - mitten im Winter. Wie sieht dasselbe Objekt wohl von der anderen Seite aus?
Die Apfelschale (Cox Orange, um genau zu sein) ist von innen längst nicht so bunt. Denn die Pigmente sind bei Früchten in die Außenhaut eingebettet, das sogenannte Exokarp. Nach innen schließt sich das Mesokarp an, also das Fruchtfleisch. Am rechten Rand erahnt man auch die durchsichtige Wachsschicht, mit der Früchte von Natur aus überzogen sind:
Mit meinem neuen USB-Mikroskop bin ich unserem weihnachtlichen Obstvorrat zu Leibe gerückt:
Der Theorieteil ist schnell abgehandelt: Das Perikarp ist das Fruchtgehäuse der Samenfrüchte. Es besteht - von außen nach innen - aus dem Exo-, dem Meso- und dem Endokarp. Das Exokarp ist, wie erwähnt, die Haut der Frucht; das Mesokarp bildet das Fruchtfleisch; das meist sehr feste Endokarp schützt den Samen. Dieser enthält neben dem eigentlichen Embryo oft eine Menge Nährgewebe, auch Endosperm genannt, und ist von einer Samenschale umgeben. Beim Obst sind wir auf das Fruchtfleisch aus, bei Nüssen auf das Innere des Samens.
Der Granatapfel ist mit dem Apfel nur namentlich verwandt. Die Außenansicht macht jedenfalls dem ersten Namensbestandteil alle Ehre:
Die Innenseite des Granatapfel-Exokarps lässt beinahe kristalline Strukturen und Fasern erkennen:
Ebenfalls nur namentlich mit dem Apfel verwandt ist die Apfelsine. Hier ein Detail:
Bei geringerer Vergrößerung wird klar, dass wir auf die Ansatzstelle der Frucht blicken, und zwar von innen. Neben den Querschnitten durch die kreisförmig angeordneten Fasern erkennen wir die für Zitrusfrüchte typischen Öldrüsen, deren Inhalt für weihnachtlichen Duft sorgt:
Die zweite Zitrusfrucht auf meinem Obstteller ist eine Clementine. Hier der Fruchtansatz von außen - der typische fünfstrahlige Stern:
Von innen sieht man wieder die Fasern, die vom Ansatz ausgehen und verhindern, dass die schwere Frucht zu früh vom Baum fällt. Bei reifen und leicht angetrockneten Früchten löst sich der Ansatz aber leicht:
Am Rand der Clementinenschale glänzen wieder die Öldrüsen - genau wie an der Innenseite dieser Zitronenschale:
Jetzt wissen Sie auch, wie viele LEDs mein USB-Mikroskop hat: acht. Dasselbe Spiel bei der Limette:
Auf der Außenseite glänzt wiederum Wachs:
Gehen wir zu den Nüssen über. Hier zunächst die Außenansicht einer Walnuss:
Entgegen der alten Lehrmeinung ist das Harte rings um den begehrten Samen botanisch nicht etwa eine Samenschale oder ein verholztes Endokarp, sondern ein komplettes Perikarp, das verholzt ist. Damit ist die Walnuss eine echte Nuss, im Unterschied zur Mandel, die zu den Steinfrüchten zählt. Die Sollbruchstelle zwischen den beiden Walnusshälften zeigt den Aufbau dieser Hülle von innen (links) nach außen (rechts):
Bei dieser Haselnuss habe ich auf den Übergang zwischen dem rötlichen Holz der Schale und dem dunkelbraunen Ansatz fokussiert:
Auch Haselnüsse sind echte Nussfrüchte, bei denen alle drei Perikarp-Schichten verholzen. Im Querschnitt erkennt man die dunklen Fasern, die das Perikarp vom Ansatz bis zur Spitze durchziehen:
Was wäre der Winter ohne Mandeln? Mandeln sind keine Nüsse, sondern Steinfrüchte, bei denen die harte Hülle nur aus verholztem Endokarp besteht. Aus Bequemlichkeit haben wir diesen dicken, sehr harten Endokarp nicht selbst geknackt, sondern Mandelkerne gekauft, die nur noch von der dünnen, essbaren Samenschale umgeben sind:
In das elfenbeinweiße Endosperm, das Nährgewebe des Samens, ist am stumpfen Ende der Mandel der Embryo eingebettet:
Der Embryo ist leicht aus dem Endosperm herauszulösen und lässt erahnen, wie sich der Keim irgendwann aus dem Boden geschoben hätte, wenn ihm nicht unser Appetit zuvorgekommen wäre:
A propos Appetit: Als wir als Kinder das Storm-Gedicht "Knecht Ruprecht" auswendig lernen sollten, hat man uns offenbar betrogen - wenn auch in bester erzieherischer Absicht. Fromme Kinder essen nicht etwa gern "Aepfel, Nuß und Mandelkern" - bei Theodor Storm fressen sie!