Wie Hai Cheng von der Universität in Minnesota und seine Kollegen Anfang November in Science (Bd. 322, S. 940) berichteten, korreliert der Niedergang der chinesischen Dynastien Tang, Yuan und Ming stark mit der Wachstumsgeschwindigkeit von Stalagmiten in der Wanxiang-Höhle in der chinesichen Provinz Gansu. Die Wachstumsgeschwindigkeit wiederum hängt direkt von der Niederschlagsmenge im entsprechenden Jahr ab. In Trockenzeiten mit schwachen oder ausbleibenden Monsunregenfällen wachsen die Kalkablagerungen oft nur etwa einen Millimeter in 100 Jahren; bei normal starken Niederschlägen sind es – je nach den örtlichen Gegebenheiten – etwa 10 Millimeter in 100 Jahren.

Es steht also zu vermuten, dass die Dynastien unter anderem durch die Klimaungunst während ihrer Herrschaft geschwächt wurden, denn der ausbleibende Regen führte zu Hungersnöten und diese wiederum – wenn die Herrscher sich als unfähig erwiesen, die Not der Bevölkerung zu lindern – zu Aufständen.

Auf zehn Jahre genau – dank Thorium

Kupferstich: chinesische Straßenszene
Ignorierten die Herrschenden die Not der Bevölkerung, so wuchs deren Unmut.

Neu ist diese Erkenntnis eigentlich nicht; Gerald Haug von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich und seine Kollegen haben bereits 2007 auf den Zusammenhang hingewiesen. Allerdings haben die beiden Forschergruppen verschiedene Methoden zur Altersbestimmung der Ablagerungsschichten in den Tropfsteinen verwendet, sodass die beiden Befunde sich hervorragend ergänzen. Mit der sogenannten Uran-Thorium-Datierung konnten Cheng et al. das Alter der Schichten in einem 1,2 Meter hohen Stalagmiten auf sagenhafte 10 Jahre genau bestimmen. Die Methode macht sich zunutze, dass die Kalklösung, die in die Höhle tropft, natürliches Uran aus der Umgebung enthält. Beim radioaktiven Zerfall des in die Tropfsteine eingebauten Urans entsteht das Element Thorium. Da Thorium nicht wasserlöslich ist, kann man sicher sein, dass alles Thorium, das man in einer Tropfsteinschicht vorfindet, erst nach deren Bildung entstanden ist. Die jeweilige Thoriumkonzentration lässt sich dank der genau bekannten U-Th-Zerfallsrate in ein Alter umrechnen.

Gefundenes Fressen für Klimaskeptiker?

Bei Veröffentlichungen, die historische Ereignisse mit einem Witterungs- oder Klimaereignis in Zusammenhang setzen, lässt eine Vereinnahmung durch sog. Klimaskeptiker nicht lange auf sich warten. So taucht eine Publikation von Gerald Haug über den Zusammenhang zwischen dem Klima und dem Niedergang der Maya-Kultur auf der Liste "Documented Doubts of Man-Made Global Warming Scares" auf, die von der Lobby- und PR-Organisation CGFIO zusammengestellt wurde. Auch die Kommentare zum Zeit-Artikel über Chengs Veröffentlichung in Science gehen zum Teil in diese Richtung - wobei Skepsis gegenüber monokausalen Erklärungen für historische Ereignisse sicher berechtigt ist. Die unbestrittene Existenz natürlicher Klimazyklen widerspricht jedoch der Hypothese vom menschlichen Einfluss auf das Klima nicht im Geringsten, und Haug lässt im o. g. Zeit-Artikel keinen Zweifel daran, dass er die menschengemachten Gefahren für das Monsunsystem sehr ernst nimmt.

Räumliche Muster bilden zeitliche Muster ab

Weitere Methoden zur Altersbestimmung sind die Messung der Konzentration des Sauerstoffisotops 18O oder die Analyse der Magnesium- und der Kalzium-Konzentration: Fällt während eines schwachen Monsuns nur wenig Regen, so darbt die Vegetation, und wegen der schwächeren Wurzelatmung ist der CO2-Partialdruck im Boden geringer als sonst. Weniger Kohlensäure löst weniger Kalk aus dem Karstboden, während die Menge des Magnesiums, die das Wasser während des Versickerns mitnimmt, von der Vegetation kaum beeinflusst wird. Daher fällt der Mg/Ca-Quotient im Stalagmiten höher aus als sonst. Die Analyse solcher Datenreihen zeigt, dass die Stärke des asiatischen Monsuns in 11-, 23- und 88-Jahres-Zyklen schwankt, was auf einen Einfluss der Sonnenflecken hindeutet. 

Ein Schnitt durch einen Tropfstein offenbart also, ähnlich wie Holz mit seinen Jahresringen, ein räumliches Muster, das ein zeitliches Muster – einen Rhythmus – widerspiegelt. Kürzere Zyklen, nämlich einzelne Jahre, lassen sich in dünnen Stalagmiten-Querschnitten sogar mit bloßem Auge ausmachen: Je nach Niederschlagsmenge im Jahresverlauf fällt das Kalzit, das sich auf dem wachsenden Tropfstein niederschlägt, heller oder dunkler aus.

Tropfsteine – Marke Eigenbau

Echte Tropfsteine sind viel zu wertvoll, als dass Laien sie abbrechen und aufschneiden sollten. Man kann jedoch selbst schnell wachsende Tropfsteine herstellen und untersuchen. Eine Anleitung findet sich in der Zeitschrift Chemie in unserer Zeit, 2006/40, S. 246 (B. Schmidkonz, G. Wittke: Tropfsteine im Zeitraffer). Auch mit einer einfachen Stärkesuspension lasse sich im Ofen bei niedrigen Temperaturen schöne Modelle erzeugen, wie die folgenden Bilder zeigen. (Eine Versuchsbeschreibung folgt in den nächsten Monaten.)

 

 Stärketropfsteine im Ofen

Blick in den Ofen: Auf dem Rost oben steht eine Tasse mit Stärkesuspension, die durch Kapillaren auf den Boden tropft.

 

Fuß eines Stärketropfsteins

Der größte Stalamit ist beim Entnehmen aus dem Ofen abgebrochen. Man beachte die Schichtung.

 

Stärketropfsteinstücke

Detailaufnahme der Stärkestalagmit-Bruchstücke, Durchmesser 6-10 mm