Seit anderthalb Jahren steht dieses 265 Gramm schwere Fundstück als Briefbeschwerer auf meinem Schreibtisch - jetzt habe ich es näher angesehen und Details wie die winzige Wabenstruktur in seinem Inneren entdeckt.
Aufgesammelt habe ich es im Oktober 2018, als der Rhein in Köln extrem wenig Wasser führte:
Also wirklich sehr, sehr wenig Wasser:
Der Fluss hatte sich so weit zurückgezogen, dass Schatzsucher sich Hoffnungen machten:
Tatsächlich kam so manches alte Schätzchen ans Licht:
In der Nähe des Motors habe ich auch diese Flint- oder Feuersteinknolle eingesammelt:
Sie hat ein sehr großes und mehrere kleine Löcher, ist also ein sogenannter Hühnergott.
Die Entstehung von Flintknollen ist noch nicht eindeutig geklärt, aber es handelt sich um sogenannte Konkretionen. Sie finden sich (wenn sie nicht gerade bei Niedrigwasser im Rheinbett herumliegen) stets in Kreide oder Kalkstein eingebettet und bestehen aus Siliziumdioxid, das das ursprüngliche Kalziumkarbonat verdrängt hat. Oft enthält der Feuerstein fossile Überreste von Moostierchen oder Bryozoa - so auch hier. Die Fossilien erinnern an die heutigen Neptunschleier:
Die runden Löcher bzw. Röhren in der Knolle sind dagegen vermutlich ehemalige Seelilienstängel:
Hier sehen wir neben einer solchen Röhre einen sogenannten Muschelbruch - typisch für das glasähnliche Verhalten von Flint, das unsere Vorfahren in der Steinzeit für die Fertigung von Klingen genutzt haben:
Als ich Stephan meinen Hühnergott gezeigt habe, fiel ihm eine geologisch-archäologische Exkursion ein, die er 2017 in Rijckholt bei Maastricht mitgemacht hatte. Dort wurden schon in der Jungsteinzeit im 4. Jahrtausend v.Chr. Flintknollen abgebaut; die Minen in fünf bis zwölf Metern Tiefe wurden im letzten Jahrhundert ausgegraben und durch einen modernen Stollen zugänglich gemacht. Hier eine solche jungsteinzeitliche Strecke (mit moderner Abstützung), die zeigt, wie die Knollen in schmalen horizontalen Schichten in den Kalkstein eingebettet sind:
Das Ganze ist viel beengter, als das Foto suggeriert. Hier wurde zum Vergleich eine menschliche Silhouette eingefügt. Die Bergleute - deutlich kleiner als wir heute - mussten sich liegend und kriechend fortbewegen:
Hier zwei Knollen aus der Nähe. Sie wirken fast schwarz und sind scharf gegen das umliegende, fast weiße Kalkgestein abgegrenzt:
Und diese scharfe Grenze der Konkretion finden wir sogar noch wieder, wenn wir sie etwa 200-fach vergrößert fotografieren:
Auch unter dem Handy-Mikroskop erinnert der Feuerstein an gesplittertes Rauchglas. Gute Klingen lassen sich aus diesem zerfurchten Exemplar aber nicht mehr schlagen. Dann bleibt es wohl bei der Funktion als Briefbeschwerer und Handschmeichler.