Die Oberfläche dieses Bausteins ist von einem Netz von hohen, relativ gleichförmig dicken Stegen überzogen. Was ist das?
Diese Erscheinung heißt Wabenverwitterung (engl.: honeycomb weathering), weil sie an Bienenwaben (honeycomb) erinnert, auch wenn das Muster längst nicht so regulär sechseckig wie das echter Bienenwaben ist:
Der Stein gehört zur Mauer eines Gebäudes (in dem sich heute die Touristeninformation befindet) in Mdina, der historischen früheren Hauptstadt Maltas.
Vor allem an der Mauerkante des Turmbaus ist die Verwitterung auffällig.
Im Vergleich zum kaum betroffenen Stein ganz rechts oben sieht man, dass es sich hier tatsächlich um Verwitterung handelt, dass also durch Umwelteinflüsse Gesteinsmaterial von der Oberfläche abgetragen wurde. Wie kommt es dazu, und warum bleiben dabei diese Stege stehen?
Leider ist der genaue Mechanismus der Wabenverwitterung noch nicht ganz geklärt. Es scheint sich um ein Thema zu handeln, das zwar faszinierend ist, aber keine praktischen Auswirkungen oder Anwendungen hat, sodass es nur wenige Forschungen von relativ wenigen Wissenschaftlern gibt. Ich kann also hier keine ganz vollständige Antwort geben kann; doch wie so oft in der Wissenschaft sind auch die Fragen interessant, die man sich stellt, um sich der Lösung zu nähern.
Um was für ein Gestein handelt es sich überhaupt? Die Steine in Malta sind ein Globigerinenkalkstein. Globigerinen sind mikroskopische Meeresalgen, die als Plankton im Meer leben und deren winzige Kalkschalen dann absinken und am Meeresboden enorme Kalksedimente bilden; bei den maltesischen Kalksteinen geschah das vor einige Zehnmillionen Jahren. Später wurden sie über den Meerespiegel gehoben und bilden nun den Großteil der Insel.
Wabenverwitterung tritt jedoch nicht nur in Kalkstein auf. In Deutschland findet sich eine ähnliche Wabenverwitterung in Sandstein in Heidelberg sowie der Sächsischen Schweiz, schreibt George Mustoe (1982, siehe Literatur unten; leider ohne genau Ortsangabe) und weltweit in den verschiedensten Gesteinsarten von Sedimenten wie Kalkstein und Sandstein bis hin zu Granit; ich selbst erinnere mich, sie an der schottisch-englischen Grenze auf der Nordseeinsel Lindisfarne in Sandstein gesehen zu haben. Demnach hängt es nicht von der spezifischen Gesteinsart ab, sondern wir müssen andere gemeinsame Faktoren suchen. Sie ist auch über alle Klimazonen verbreitet, scheint jedoch vor allem in Küstengebieten sowie in Gebirgen in der Nähe von Wüsten bzw. trockenen Gebieten vorzukommen.
Grundsätzlich kann Verwitterung auf sehr vielen Umweltfaktoren beruhen, etwa der Einwirkung von Wind, Wasser, Hitze, Kälte, chemischen Substanzen oder auch biologischen Organismen. Frühe Forscher vermuteten eine ganze Reihe von Verwitterungsmechanismen, etwa die Erosion durch den Wind, die Lösung von Mineralen durch Regenfälle oder anderes, doch die meisten Erklärungen passten vielleicht auf die eine oder andere Fundstelle, aber nicht auf die Vielfalt der Gesteine und klimatischen Verhältnisse, bei denen man Wabenverwitterung beobachtet.
Salzverwitterung
Die Salzverwitterung kam wohl 1925 erstmals ins Gespräch, nachdem der britische Geologe William Hume in Ägypten Salzverkrustungen beobachtet hatte (nach Mustoe 1982). Salzverwitterung ist ein bekannter Prozess an Küsten und in trockenen Gebieten, also tatsächlich den Gegenden, in denen man Wabenverwitterung findet. Wenn salzreiches Wasser in den Gesteinsporen verdunstet, bleibt Salz zurück, das die Körner des Gesteins auseinanderdrängt und das Gefüge schwächt, man nennt dies auch "Salzsprengung". Dazu sind zwei Faktoren nötig: Erstens muss salzreiche Flüssigkeit vorhanden sein, etwa, weil Regenwasser Salze im Gestein löst, oder weil das Gestein dem Sprühwasser vom Meer ausgesetzt ist. Zweitens muss das Gestein periodisch austrocknen, damit das Salz auskristallisiert und nicht einfach nur ausgewaschen wird, aber es darf natürlich auch nicht andauernd trocken sein.
Die Australierin Ann Young (1987) hat Gesteine mit Wabenverwitterung in Australien genauer untersucht und tatsächlich festgestellt, dass das Gefüge des Gesteins durch Salzkristalle gestört wird. George Mustoe (2010) erforschte Sandsteine an verschiedenen Orten der Pazifikküste im Norden der USA und Kanada und konnte ebenfalls zeigen, dass es sich um Salzverwitterung handelte. Ein interessanter Sonderfall sind Gesteine in der Gezeitenzone, die also regelmäßig vom Meerwasser bedeckt werden, das dann wieder trocknet. Hier schreitet die Verwitterung schnell voran, aber sie wird langsamer, wenn die Höhlungen der Wabenverwitterung so groß geworden sind, dass das Wasser, das sich in ihnen sammelt, bei Niedrigwasser nicht mehr bis zur Sättigung verdunstet, sodass keine Salzkristalle mehr ausfallen. Bei Gesteinen in der Spritzwasserzone (die gelegentlich von der Gischt besprüht werden) läuft das alles natürlich langsamer ab und es ist komplizierter, weil sich Mikrobenfilme bilden, die das Gestein schützen können - darauf kommen wir nochmals zurück. In trockeneren Gebieten stammt das Salz aus dem Gestein selbst und wird durch gelegentliche Feuchtigkeit gelöst, die dann wieder verdunstet.
Für die Kalksteine auf Malta konnte ich nicht herausfinden, ob das im Gestein schon vorhandene Salz oder Tröpfchen vom Meer die größere Bedeutung haben - Malta ist nicht besonders groß, sodass salzreiche Aerosole wohl überall eine Rolle spielen. Mdina liegt so ziemlich im Zentrum der Insel, ist aber auch nur etwa 5 km vom Meer entfernt.
So, das war jetzt viel Text, also schiebe ich zur Auflockerung einige Bilder ein, die die Wabenverwitterung im anstehenden Gestein zeigen: an der Kliffküste nahe Dingli.
Stege und Höhlungen
Zurück zur Wabenverwitterung. Sie entsteht also durch die Salzverwitterung, also dadurch, dass Salzkörner im Gestein auskristallisieren und dabei die Gesteinskörner auseinanderdrücken. Das ist aber nur ein Teil der Erklärung (der leichtere...). Denn Salzverwitterung ist durchaus häufig, führt aber gewöhnlich einfach zur flächigen Verwitterung bzw. dem Abplatzen von Gesteinsschichten und nur in seltenen, besonderen Fällen zu dem auffälligen System von Stegen bei der Wabenverwitterung.
Wieso blieben diese Stege stehen? Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten, warum Gestein an verschiedenen Stellen verschieden schnell verwittert. Der erste Grund könnte sein, dass das Gestein selbst schon härtere und weichere Stellen enthält, die der Verwitterung verschieden gut widerstehen, wenn also das Gestein selbst "inhomogen" (nicht gleichförmig) ist. Man sieht das oft, wenn z.B. Fossilien oder härtere Quarzgänge aus einem weicheren Gestein herausverwittern. Das trifft aber hier offenbar nicht zu, denn Analysen haben gezeigt, dass die Wabenverwitterung gerade in besonders gleichförmigen Gesteinen auftritt ("mit hoher physikalischer und chemischer Homogeneität", wie Mustoe 2005 es zusammenfasst).
Die zweite Möglichkeit ist, dass der Verwitterungsprozess selbst von Stelle zu Stelle variiert. Doch der ganze Stein ist ja im Wesentlichen den gleichen Umwelteinflüssen ausgesetzt - wie kann dann die Verwitterung variieren? Es muss einen Selbstorganisationsprozess geben, durch den die Verwitterung im Inneren der Höhlungen stärker abläuft als an den Stegen. Wenn die Oberfläche am Anfang kleine Unebenheiten aufweist, wachsen die Höhlungen immer tiefer, aber die Stege bleiben erhalten. Nun sind natürlich, wenn man genau hinsieht, die Umwelteinflüsse nicht überall gleich. Die Höhlungen liegen geschützter als die Stege. Sie werden stärker beschattet, die Feuchtigkeit verdunstet langsamer, Windstärken und Temperaturen unterscheiden sind; kurz gesagt: Stege und Höhlungen haben ein unterschiedliches Mikroklima, und dies dürfte auch die unterschiedlichen Verwitterungsraten erklären.
Doch wie funktioniert diese Selbstorgansation genau? Hier gelangen wir an die Grenzen unseres Wissens; es gibt einige Theorien und ein interessantes Experiment, aber möglicherweise spielen an verschiedenen Orten bzw. in verschiedenen Gesteinen unterschiedliche Prozesse eine Rolle.
Eine Möglichkeit ist der Einfluss von Mikroorganismen. Mustoe (1982, 2010) meint, dass die einzellige Algen in den Kornzwischenräumen durch das unterschiedliche Mikroklima unterschiedlich wachsen, sodass auf den Wänden der Stege ein Mikrobenfilm entsteht, der die Stege festigt und vor der Verwitterung schützt. Dies beruht auf Beobachtungen an Gesteinen der Spritzwasserzone direkt am Meer, doch die Details scheinen noch nicht gut belegt, und ob dies auch in trockeneren Gebieten eine Rolle spielt, ist unklar.
Eine andere Möglichkeit ist ein Wechselspiel zwischen Verdunstung, Salzkristallisation und dem Wind. Carlos Rodriguez-Navarro, Eric Doehne und Eduardo Sebastian (1999) haben dazu ein interessantes Laborexperiment durchgeführt. Platten aus einem homogenen Kalksteinblock wurden zunächst in Salzlösung getränkt, sodass das Salz in die Porenräume eindrang, und dann mit einem elektrischen Gebläse einem künstlichen Wind ausgesetzt. Der Vorteil dieses experimentellen Zugangs ist, dass man (anders als bei Beobachtungen in der freien Natur) die Umweltbedingungen genau kontrollieren kann - insbesondere weiß man, dass keine Mikroben beteiligt sind.
Tatsächlich zeigten die Kalksteinplatten Wabenverwitterung. Wenn der Wind über die raue Oberfläche weht, dann ist die Verdunstung, so finden die Autoren, aufgrund von aerodynamischen Effekte und Turbulenzen am Boden der Höhlungen am größten. Dort entstehen also mehr Salzkristalle, die das Gestein schwächen. So konnten sie zeigen, dass die Verwitterung in den Höhlungen voranschreitet, sie weisen aber auch darauf hin: "Die Frage, warum die Stege zwischen den Höhlungen stehen bleiben, bleibt unbeantwortet."
Alles ist also noch nicht geklärt, und ich muss auch sagen, dass mir der von Rodriguez-Navarro und Kollegen vorgeschlagene Mechanismus im Detail nicht ganz verständlich ist. Ohne genauere aerodynamische Studien ist das wohl schwer zu klären, doch ich würde mir das anders vorstellen. Wenn der Wind über eine unebene Oberfläche streicht, dann müsste an den Erhebungen (nicht in den Vertiefungen) die Windgeschwindigkeit größer und der Luftdruck kleiner sein (aufgrund des kontraintuitiven Bernoulli-Effekts, der auch beim Auftrieb von Flugzeugen wichtig ist). Demnach müsste die Verdunstung an der Oberfläche der Stege (nicht in den Höhlungen) am höchsten sein. Ich könnte mir dann vorstellen, dass die Stege einfach so schnell austrocknen, dass durch Kapillarkräfte keine Salzlösung nachgeliefert werden kann und damit die Verwitterung zum Erliegen kommt, während sich die Salzlösung in den Porenräumen am Boden der Höhlungen immer stärker konzentriert und dort Salzkristalle bildet.
Zweifellos haben Rodriguez-Navarro gezeigt, dass Salzlösungen und Wind zur Wabenverwitterung führen. So ganz geklärt scheint mir der genaue Mechanismus aber immer noch nicht. Und ich habe noch keine Erklärung gefunden, warum die Stege ein so auffälliges Netz mit typischen Größenordnungen bilden und nicht einfach nur wahllos irgendwelche "Höcker" entstehen.
Auf Malta ist die Wabenverwitterung jedenfalls so charakteristisch, dass sie auch künstlich als Gestaltungselement eingesetzt wird. Bei diesem Gebäude in Valetta hat man die Steine mechanisch bearbeitet, um den Effekt nachzuahmen - aber so ganz gelungen ist es nicht:
Literatur
- Mustoe, George. „Honeycomb Weathering“. In Encyclopedia of Coastal Science, herausgegeben von Maurice L. Schwartz, 529–30. Dordrecht: Springer Netherlands, 2005. https://doi.org/10.1007/1-4020-3880-1_173.
- Mustoe, George E. „Biogenic Origin of Coastal Honeycomb Weathering“. Earth Surface Processes and Landforms 35, Nr. 4 (30. März 2010): 424–34. https://doi.org/10.1002/esp.1931.
- Mustoe, George E. „Origin of Honeycomb Weathering“. Geology Society of America Bulletin 93 (1982): 108–15. http://www.tafoni.com/References_files/Origin%20of%20Honeycomb%20Weathering.pdf.
- Rodriguez-Navarro, Carlos, Eric Doehne, und Eduardo Sebastian. „Origins of honeycomb weathering: The role of salts and wind“. Geological Society of America Bulletin 111, Nr. 8 (August 1999): 1250–55. https://doi.org/10.1130/0016-7606(1999)111<1250:OOHWTR>2.3.CO;2.
- Young, Ann R. M. „Salt as an Agent in the Development of Cavernous Weathering“. Geology 15, Nr. 10 (1. Oktober 1987): 962–66. https://doi.org/10.1130/0091-7613(1987)15<962:SAAAIT>2.0.CO;2.