Ein grüner Strang schlängelt sich über Hunderte von Metern durch den Wald...
In der Mitte dieser Steinernen Rinne - so nennt man diese Erscheinung - fließt Wasser, umgeben von Moos. Doch warum strömt es in dieser erhöhten Rinne, statt sich wie ein gewöhnliches Rinnsal in Senken und Erosionsrinnen in den Boden einzuschneiden? Stellenweise bilden Steinerne Rinnen sogar meterhohe Dämme:
Solche Steinernen Rinnen bilden sich nur unter bestimmten geologischen Bedingungen. Diese hier befinden sich bei Wolfsbronn und bei Rohrbach in Mittelfranken. Die Fränkische Alb ist ein Mittelgebirge vorwiegend aus Kalksteinen aus dem oberen Jura. Wie viele Kalksteinregionen ist die Frankenalb reich an Karsterscheinungen - also geologischen Prozessen, bei denen der Kalk vom fließenden Wasser gelöst wird und an anderer Stelle wieder ausfällt. Ein bekanntes Beispiel sind Tropfsteinhöhlen: Die Höhle entsteht, weil Wasser den Kalk löst, und die Tropfsteine entstehen dann durch die Abscheidung des Kalks aus Wassertropfen. Kalkablagerungen entstehen oft dort, wo kalkreiches Wasser an die Oberfläche tritt - dort kann das im Wasser gelöste Kohlendioxid ausgasen; dabei wird das Wasser weniger sauer und die Löslichkeit des Kalks sinkt. So entstehende Ablagerungen bezeichnet man allgemein als Sinter.
Ein genauerer Blick auf die Steinerne Rinne zeigt, dass auch bei ihrer Bildung der Kalk eine wichtige Rolle spielt. Deutlich sind in der Bildmitte die krustenartigen Kalksinter zu erkennen:
Aber warum wächst dabei eine Rinne in die Höhe? Hier spielt das Moos eine wichtige Rolle. Moos wächst vor allem entlang eines Rinnsals, da der Waldboden in Karstgebieten ansonsten aufgrund des durchlässigen Untergrunds eher trocken ist. Das feine Moos saugt wie ein Schwamm Wasser aus dem Rinnsal auf. Da das Moos eine große Oberfläche hat, verdunstet aus dem Moos mehr Wasser als aus dem eigentlichen Rinnsal, und auch das Ausgasen des im Wasser gelösten Kohlendioxids findet verstärkt im Moos statt. Dabei fällt Kalk aus. Die Versinterung ist also im Moos am Rande des Rinnsals viel stärker als am Grund des Rinnsals selbst. Das Moos verkalkt, doch an der Oberfläche wächst es weiter in die Höhe. Am Boden der Rinne wachsen zudem mikroskopische Algen, die ebenfalls Kalk ausfällen - dadurch wird die innere Fläche der Rinne sehr glatt, feinkörnig und wasserdicht.
Durch diesen Prozess wachsen also vor allem die Ränder des Rinnsals in die Höhe und verhindern, dass das Wasser seitlich ausbricht - die Rinne stabilisiert sich durch diesen Rückkopplungsprozess selbst. Das durch die Versinterung des Mooses entstehende feinkörnige und poröse, junge Kalkgestein bezeichnet man als Kalktuff - nicht zu verwechseln mit Tuff, einem ebenfalls porösen Gestein, das jedoch vulkanischen Ursprungs ist. Steinerne Rinnen heißen daher auch "Kalktuffrinnen".
Wie lange dauert eigentlich die Bildung einer Steinernen Rinne, wie alt sind sie also? Ich meine mich zu erinnern (finde aber nun keine Quelle), irgendwo gelesen zu haben, dass Steinerne Rinnen in Jahrhunderte alten historischen Dokumenten erwähnt werden - was jedoch nichts über das individuelle Alter aussagt. Auch sonst finde ich wenige Informationen, daher kann ich hier nur ein paar beobachtende Überlegungen zum Alter liefern.
Mehrfach ist die Rinne um Bäume herumgewachsen - es ist deutlich, dass die Bäume schon ausgewachsen waren, als die Rinne entstand, denn die Stämme haben in der Rinne keine Wurzeln geschlagen. Die Rinne muss also jünger als die Bäume sein, eher also einige Jahrzehnte als Jahrhunderte alt. Eine der Hinweistafeln erwähnt, dass der Kalktuff um etwa 2-3 cm pro Jahr wächst - für die Höhe von eineinhalb Metern muss man also mit einem guten halben Jahrhundert rechnen.
Allgemeiner ist klar, dass es sich um relativ empfindliche Gebilde handelt: Wird der Rand der Rinne irgendwo gestört, sodass das Wasser abfließt, wird der Rest der Rinne austrocknen und verfallen. Es ist schwer vorstellbar, dass es im Wald nicht durch Tiere oder fallende Bäume (oder Menschen) immer wieder zu Störungen kommt - auch aus diesem Grund erscheint ein sehr hohes Alter eher unwahrscheinlich. Die Hinweistafeln bitten daher Besucher auch darum, Abstand zu halten; andererseits werden Schäden von den zuständigen Behörden ausgebessert und die Rinnen gepflegt, um sie zu erhalten.
Johannes Matthiesen (25.9.1936 - 23.2.2014) im September 2013.
Dieses Muster des Monats ist dem Gedenken an meinen Vater, Johannes Matthiesen, gewidmet, der im Februar sehr plötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Die vielen Erinnerungen an gemeinsam Erlebtes, an Reisen und Wanderungen, werden mir als wunderbares Geschenk für immer bleiben.
Stephan Matthiesen